wenke.net

Drucken ist wieder jung

Graphispag 2007, Spanien: Drupa-Trend

Die graphispag in Barcelona könnte man für eine Regionalmesse halten – und damit olé und Schluss. Aber eineinviertel Jahr vor der nächtsten Drupa könnte sie auch so etwas wie ein Trendsetter sein. Und bekommt damit über ihre Funktion als iberische Hausmesse hinaus eine gewisse Bedeutung. Das Fazit vorweg: sie enttäuschte in dieser Beziehung keineswegs. Sondern konnte mit deutlichen Trends aufwarten.

Das erste und wichtigste: unsere in Zentraleuropa gewohnte erdrückende Dominanz der tradierten Druckmaschinen-Marken, nämlich des Trios Heidelberg, MAN-Roland, KBA, konnte die Ex-Weltmacht Spanien keinen Reiz abgewinnen. Bereits im Foyer wurden die Besucher auf etwas eingestimmt, was sich in den Hallen konsequent fortsetzte: Drucken, das ist vor allem digitales Drucken.
Einzig KBA machte sich in einer Halle einigermaßen bemerkbar – und dies auf eine durchaus doppelsinnige Art. Als Dschungelshow nämlich. Was erstens den Publikums-Andrang-Preis holte – hier war echt etwas los – und zweitens natürlich Assoziationen weckt. Dschungel, ist das nicht die komplizierte Urwelt von gestern, die vom Aussterben bedroht ist? Jagt man da nicht die Affen auf die Bäume? Im wasser-entwöhnten Spanien mag das anders gewirkt haben, frisches Grün gefiel den Besuchern. Und die Drucke zum Mitnehmen offensichtlich auch.
Geradezu erbärmlich dagegen der Stand von MAN-Roland. Ein einsamer Druckturm, völlig zusammenhanglos einfach nur so hingestellt, langweilte sich zusammen mit dem Personal. Der Zähler stand auf Null. Wenn das mal hoffentlich kein Omen ist. Es wäre allemal ein böses.

Und nun zu Heidelberg, dem King-Kong unter den starken Maschinenmarken, die Nummer eins der Hallenzählung auf der Drupa. Heidelberg – nun Heidelberg bekam der durch die Hallen schlendernde Besucher so leicht nicht zu Gesicht. Es sei denn in Form eines Gastspieles auf einem Service-Stand.

Groß dagegen die Stände und teilweise auch die Besucherzahl auf Ständen, die in Zentraleuropa – völlig zu unrecht – als Exoten gelten. Komori oder Mitsubishi beispielsweise. Wie in den Commonwealth-Märkten sind auch in den iberischen Sprachräumen diese Anbieter der Regel- und Normalfall und keineswegs das, was man unter Ausweich-Alternative verstehen würde. Nein, sie haben hier Stammmärkte, zum Teil deutliche Marktanteile und machen deutlich, dass Qualität (denn in diesen Ländern wird Weltstandardqualität erreicht und gefordert) nicht an bestimmte, wenige Druckmaschinenmarken alleine gebunden ist.
Was die Besucher aber teils nervte, teils motiviere, das waren die Digitaldrucke, über die man regelrecht permanent stolperte – was wortwörtlich zu nehmen ist. Denn in den Gängen hatten die Large Format Printer ihre teils atemberaubend glänzenden, schönen, großen wie großartig zugleich wirkenden Drucke als Teppiche ausgelegt. Leider eben nicht mit Stolperschutzkanten und aus psychologischen Gründen taten sich vor allem ältere Herren schwer, den abgedruckten hübschen Damengesichtern mit ihren Quadratlatschen direkt ins Gesicht zu treten. Und so sah man sie zuweilen um die Motive herum hüpfen, allerdings eher vorbeieilend als das junge Volk, das sich rege und interessiert um die bügelmaschinenartigen Monster scharte (vielleicht auch nur, weil manche Druckfarbe ein vollwertiger Ersatz für andere Snifferdrogen sind und je nach Gewohnheit high machen oder Kopfschmerzen verursachen).

Die graphispag hatte eigens eine Abteilung für den Digitaldruck reserviert, was durch die so entstehende kompakte Übersicht einer Messe überaus gut tut. Kurios die teilweise anrührigen Bemühungen der im professionellen Druckmetier eher noch als Neulinge geltenden Japaner, so etwa Oki, mit einem bunten Bilderreigen klarzumachen, dass es eine direkte Verbindung von den schreibenden Mönchen der europäischen Klöstern zu ihren weitgehend mannlosen quicklebendigen Digitaldruckern gibt.

Die Messe war nicht unbedingt ein Publikumsmagnet, daran ist sie wahrlich nicht zu messen. Aber am Selbstdarstellungswillen der Anbieter konnte man sehr wohl ablesen, wie sich die Macht- und Marktanteile verschieben – verschoben haben oder noch verschieben werden. Manche traditionellen Marken mussten sich als tote Hose, was die Besucherfrequenz angeht, outen. Adobe beispielsweise, obwohl im PrePress marktbestimmend, begnügte sich wie immer mit einem klassenzimmer-ähnlichen Schnelldemo-Stand und deklassierte mit so viel Gelassenheit so manche aufgeregte Zurschaustellung drittklassiger Softwarehäuser.

Dicke Minuspunkte fuhren jedoch – so weit ich sehen konnte ohne Ausnahme – die Aussteller in der Lust- und Lieblosigkeit, der Phantasieschwäche und im Abstraktionswahn ihrer Slogans oder Standbeschriftungen ein. Da wurden, egal ob auf spanisch oder englisch, abgedroschene und inzwischen tiefgekühlte Sprüche geklopft. Manche Argumente grenzten an Sarkasmus und lächerlichen Zynismus. Information und Dokumentation weitgehend unmöglich. Emotionen und packende „Anmache“ die absolute Ausnahme. Schade in einer Branche, die doch ausschließlich von Werbung lebt.
Trendfazit und damit positive Erfahrung und Erkenntnis aus einer Messe, die geografisch wie von der Bedeutung her eher „am Rande“ eingestuft werden kann, dennoch aber sich selbstbewusst gibt, und das keineswegs zu unrecht. Diese Botschaft lautet: Drucken ist viel mehr als das „Mainstream-Printing“, der „große“ und iso-norm-schwangere Offsetdruck. Drucken, das ist eine immer munterer, immer vielfältiger, und auch immer kreativ werdende Schar von „below-the-line“-Techniken. Dinge, die man bislang als Marktnische abgetan hat, die aber pointiert und mit rasch wachsender wirtschaftlicher Bedeutung in den Mittelpunkt rücken.

Hier liegen vor allem für jüngere Existenzgründer und Studies, die sich als Unternehmer beweisen und verwirklichen wollen, riesige potentielle Chancen. Aus der Sicht der Konsumenten, also der Drucksachenbesteller, kann man diese virulente Szene und Technologievielfalt nur argumentativ unterstützen: der dicke, offsetgeeignete Katalog ist zwar ein ausgabenträchtiges, budgetbelastendes Objekt in mancher Firma. Aber als Verbraucher hat man im Laufe des Jahres und der Vielzahl der geschäftlichen Anlässe dutzende, oft hunderte Male das Bedürfnis nach „printing light“. Unkompliziertes „mal eben schnell“ hier ein paar Plakate, dort ein Banner zum Firmenanlass, ein paar Handouts, vielleicht auch die eigene Tapete für die Eingangshalle – und eben ungezählt viele andere Dinge mehr. Sie alle sind Digitaldruckpotential. So viel, so vielfältig, dass es geradezu rauschhaft sein kann, sich mit all den Möglichkeiten zu beschäftigen.

Ja, da wächst eine Pflanze heran, die schon längst aus dem Stadium des Keimlings heraus und robust genug geworden ist, sich der rauhen Atmosphäre des Marktes zu stellen und sich darin evolutionsartig ihren Platz zu erkämpfen. Drucken ist dank vieler Diversifizierungen auch in der Maschinentechnologie, in der unüberschaubaren Vielfalt der Bedruckstoffe sowieso, eine muntere Digitaltechnologie im Sektor HighTech. Der Wandel ist spürbar, der Trend ist längst schon ein robuster Markt und die unternehmerischen Chancen so frisch und offen wie lange nicht mehr.

Daher jetzt schon einmal ein rabiat klingender, aber ungemein praktischer Tipp für alle Unternehmungen der Druckindustrie: schicken Sie zur nächsten Drupa – und allen Messen, die bis dato noch stattfidnen – vor allem auch die jüngeren Mitarbeiter hin. Weil die Auge und – so muss man es wohl deutlich formulieren – das Wissen und das Interesse dafür haben, die scheinbaren kleineren Lösungen, sprich unaufwendigeren Maschinen und Druckmöglichkeiten, zu einem big deal auszubauen oder auch nur auszuprobieren. Die Hoffnung wächst, dass die Drupa 2008 eine sehr junge Messe sein wird.
Die Technik ist es, die Interessenten auch. Und der Markt erst recht. Wenn das mal keine positive Perspektive ist, weiß ich auch nicht mehr weiter. In diesem Sinne. Hasta la vista. Viva Tecnologia Graphica. Olé.