Investitionen verantworten
2008: Die Nachhaltigkeits-drupa
Wer jetzt investiert, sollte sich der Gesamtverantwortung bewusst sein. Die Zeiten, in denen Wachstum alles war, sind vorbei. Technischer Fortschritt allein, das bloße nunmehr plötzlich Machbare, egal was, Hauptsache elektronisch oder automatisch, schneller oder leichter, preiswerter oder grandioser, ist nur noch gut für einen Moment des kurzen Erstaunens. Aber nicht mehr als Business-Modell oder Investitions-Leitlinie. Je „verrückter“, aggresiver, konfrontations- und konflikt-bereiter die Welt und mit ihr Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden, desto größer die Zahl derjenigen Menschen, denen es ahnungsvoll dämmert oder die schon verinnerlicht haben, dass sie eine Verantwortung tragen, der sie gerecht werden möchten.
Mit verordneter Moral, etwas aus kirchlich-religiösen
Gründen, hat dies nichts zu tun. Doch mit einer subjektiv
empfundenen, persönlich gelebten, allgemein akzeptierten
Philosophie und Weitsicht, mit Ethik und Vernunft ist es durchaus
verbunden. Es lässt sich auch unkomplizierter,
undramatischer formulieren: Das Ideal der Zukunft ist die Abkehr von
der Hektik, die von außen kommt. Es ist dagegen die
Konzentration auf sein Selbst, auf das eigene Profil, das kollektive
Ziel eines Unternehmens. Jedes Unternehmen sollte in der Lage sein, die
Grundsatements „mission and vision“ im
Einklang mit einer in der Gesellschaft akzeptierten Werteordnung zu
formulieren. Was wollen wir warum wie tun? Wozu sind wir da,
wofür sind wir nütze? Was gibt uns die Berechtigung,
von Kunden akzeptiert zu werden? Es klingt altmodisch, muss aber
deswegen kein schlechter Gedanke sein: Was ist unser Anteil, die Welt
(ein wenig) zu „verbessern“ – oder zu
erhalten.
Je länger die Zeit fortschreitet, desto konzentrierter und
intensiver muss man dies unter drei Aspekten beantworten
können, die sich zu dem addieren, was wir derzeit als
„Nachhaltigkeit“ bezeichnen:
1.Ökologische Verantwortung im engeren Sinne; es kann nicht
gut gehen, mehr zu verbrauchen, als vorhanden ist, nachwächst.
Wer konkret dem Lebensraum Erde, der unsere physische Lebensbasis ist,
schadet, schadet allen und sich selbst; wobei
„schaden“ zu nachsichtig formuliert ist;
„töten“ wäre ehrlicher.
2.Soziale Verantwortung; das Spiel, auf Kosten anderer zu leben, geht
nicht auf. Es hat bereits einen Nobelpreis für den Nachweis
gegeben, dass Kooperation auf Dauer sinnvoller, weil nutzen-bringender
ist als Konfrontation. Ein Geschäft, das nicht ein wirkliches
win-win ist, ist ein Geschäft, dass man unterlassen sollte, um
sich nicht selbst zu schaden. Soziale Verantwortung ist zu sehen im
althergebrachten Sinne der „Kasten“-Hierarchie
politisch-nationaler, ökonomisch-funktionaler Gesellschaften
wie auch immer mehr im Sinne dessen, was vielen erst Hoffnung war, nun
Fluch und Angstgespenst wird: Globalisierung.
3.Geld ist nicht mehrbar, die Börse gaukelt uns da etwas vor.
Sie vermehrt Werte auf dem Papier. Allein, noch keine Aktie und kein
Makler haben es jemals geschafft, dass aus einem Batzen Gold oder
Papier, oder aus einem Ries Papier, einem Fass Öl oder einer
Druckmaschine so schwuppdiwupp-kursgeschwankt zwei wurden. Die
ökonomische Verantwortung, die ein echter Unternehmer
trägt, gleicht der eines Gestrandeten in der Wüste:
er muss mit der einen Flasche Wasser bis zur Oase kommen. Oder ist tot.
Ein Unternehmer muss mit dem Kapital „auf Dauer“
wirtschaften, sonst – steht er auf unangenehme Art und Weise
in der Zeitung.
Es sind diese drei fundamentalen Theman, denen sich die drupa 2008
stellen und zu denen sie konkrete Antworten geben, Angeboten machen
wird. Ob man es nun so sieht oder nicht, ob man viel und offen oder
eher am Rande und skeptisch drüber redet. Aber über
nur „neu“ und „olympischer“
(schneller, billiger, einfacher) zu faseln, das ist nur noch etwas
für Menschen, die nicht das Ganze im Auge haben. Für
Subalterne eben, die mit Teilaufgaben betraut sind. Der echte, wirklich
wahre Unternehmer – egal, ob er sich Chef oder
Geschäftsführer, Inhaber oder
Verantwortungsträger nennt – muss mehr denn je im
Auge haben, was über den Tag hinaus von Nutzen ist.
Für ihn – und dem Rest der Welt.
Nachhaltigkeit ist schon deshalb wichtiger als in den letzten
Jahrzehnten, sogar seit eineinhalb Jahrhunderten, weil wir in den
saturierten Industrieländern nicht mehr auf rein quantitative
Wachstumsstrategien setzen können. Weder können wir
die körperliche Warenproduktion oder so genannte
Bodenausbeutung signifikant auf breiter Front steigern noch unser
Arbeitstempo substanziell erhöhen. Die Burnout-Effekte der
arbeitenden Menschen haben längst bedrohliche, epedemische
Ausmaße angenommen. Ein scheinbar albern klingendes Bonmot
erläutert die makabre Situation, in der wir stecken oder der
wir uns rasant nähern. Selbst in den voll gepacktesten Koffer,
sagt eine Redensart, passt immer noch ein Taschentuch hinein. Das mag
sein. Aber irgendwann eben nicht mehr. Tatsache ist, dass wir
– um im Bild zu bleiben – in den Koffer der
Produktion und Arbeitsbelastung schon längst keine dicken
Wollpullover mehr reinquetschen können. Und
Taschentücher nur noch mit extremer Mühe.
Also fällt Wachstum als Kompensation für
Fehl-Investitionen komplett aus. Das allgemeine Wachstum
kaschiert nicht mehr strategische Unternehmensfehler. Was im
Umkehrschluss bedeutet: Jede zukünftige Investition wird
jeweils riskanter, weil sie keinen Verlust bringen darf – er
wäre nicht mehr aufzuholen. Nicht in Geld, schon gar nicht in
Zeit. Was aber viel dramatischer ist: nicht mehr in Bezug auf Erfahrung
oder Know-how-Vorsprung. Wer auch nur über kurze Strecken
versagt hat, abgekoppelt war, hat es mehrfach schwer,
überhaupt noch aufzuholen. Dies bedeutet, wer heute
fundamental investiert, setzt zunehmend automatisch immer
„alles auf eine Karte“. Um dies zu managen, gibt es
eine mentale Disziplin: Risk-Management. Der Druckmarkt hat in den
letzten Monaten dazu zahlreiche Artikel publiziert.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist das Gegenteil jener offensichtlich
aggressiven Mentalität, die bedauerlicher Weise den Menschen,
Völkern, Staaten wie angeboren zu eigen scheint. Mit der
mannigfaltigen „Ausbeutung“ jeweils anderer. Dem
Anspruch, wie selbstverständlich auf Kosten anderer zu leben.
Nachhaltigkeit dagegen ist die Wahrung und optimale Nutzung der eigenen
Chancen, ohne deren Resourcen zu zerstören. Krass gesagt:
Blöd ist, wer in einen Bach scheißt, um wenige Meter
bachabwärts Trinkwasser zu schöpfen. Blöd
ist nur, dass die meisten Industrieländer bislang so
blöd waren – es noch sind?!
Da mag der einzelne Mensch oder Betrieb ein noch so grünes,
reines Gewissen haben. Summa summarum sind die Umweltbewussten noch
eine Minderheit. Mit Genugtuung sehen die einen, mit Erstaunen die
anderen, dass diese Minderheit wächst und bald zumindest eine
Sperrminorität sein könnte. Und nicht mehr ein
Grüppchen, das man getrost auslachen und für
romantisch-versponnen erkären kann oder darf.
Ökologie, Nachhaltigkeit wird nämlich rascher, als
dies die Gleichgültigen ahnen, zur strategischen
Überlebensfrage. Da muss man erst gar nicht die
öffentliche Debatte zur Erderwärmung
bemühen. Es reicht darauf hinzuweisen, dass
ökonomische, macht-strategische Erfolge und
Vorsprünge, Spitzenpositionen, in allen Märkten,
Branchen, Größenordnungen nur noch von kurzer,
kürzester Dauer sind. Was uns bevorsteht, ist die Permanenz
der eruptiven Änderungen. Das wird derjenige, der nicht darauf
vorbereitet ist, als Chaos empfinden und daran straucheln
müssen. Hingegen ist es für diejenigen, die
konzeptionell entscheiden, völlig undramatisch nichts anderes
als eine geänderte globale Bedingung für Beruf und
Business. Nicht gerade einfach, aber letzten Endes doch zu meistern.
Nur eben nicht mehr mit der Denkweise von
„früher“ (und früher
schließt heute ein). Zusammengefasst: Wir stehen vor einer
„nicht-linearen Zukunft“. Sie ist keine Fortsetzung
der Vergangenheit mehr.
Im Business-Englisch heisst der Begriff für Nachhaltigkeit
„sustainability“, von sustain = aufrechterhalten,
aber auch ertragen, stützen/stärken. War
Nachhaltigkeit als Begrifflichkeit bislang eher
ausschließlich auf Umweltaspekte reduziert, so wird die
Vokabel inzwischen rund um den Globus als die Kunst gesehen,
„im Gleichgewicht zu bleiben“. Die Balance zu
wahren, ausgewogen, ausgeglichen, wenn man so will: angepasst zu sein.
Da mag man auch ruhig ein wenig Yin-Yang-Esoterik ins Spiel bringen.
Europäer verstehen zwar meist (und schon gar nicht ohne
jahrzehntelanges Training) die komplexe asiatische Denkweise nicht oder
kaum, aber schaden tuts wenigstens nicht, wenn einem plausibel
erscheint, dass man auch im Unternehmen ein wenig von dem machen
könnte, was man rein privat für so chic
hält: FenShui. Die Harmonie der Ordnung. Solange man nicht
Wünschelrutengänger und Kräutertee-Gurus ins
Unternehmen holt, kann nicht schlecht sein, deutsche,
europäische Hauruck-Mentalität durch das Prinzip vom
meditativen „erst denken, dann handeln“ zu
ersetzen: Intuition ja (undbedingt und immer mehr), „das
kriegen wir schon hin, egal wie“ bitte nicht mehr.
(„Wir sparen, egal was es kostet“, ist ja schon
längst kein Witz mehr, sondern kollektiv praktizierter
Schwachseinn.)
Die ökonomische, also auf die Wirtschaft ausgerichtete
Nachhaltigkeit dreht sich um das Prinzip des „survival of the
fittest“. In der richtigen Übersetzung stets zu
deuten als „Überleben durch Anpassung“.
,The fittest‘ meint nicht die Waschbrettbauchjungs aus der
Mucki-Bude oder die Nordic-Walkerinnen vom Powerwoman-Stammtisch,
sondern ist im Sinne evolutionärer Anpassung gemeint. Wer die
Veränderungen meistert, wird weiterkommen. Dies ist keine
Theorie und Philosophie, denn in den Unternehmensalltag
übersetzt bedeutet es, Investitionen von heute sind zugleich
stets Entscheidungen, die die Investitionen von morgen vorbereiten und
ermöglichen. Beziehungsweise sie finanziell
ermgölichen. „Nach der Investition ist vor der
Investition“, könnte man einen Sport-Kalauer
abwandeln.
Die Richtung, die bei einer jeglichen fundamentalen Investition jetzt
eingeschlagen und gegangen wird, muss die richtige sein, in der man
morgen, übermorgen, „in Zukunft“ die
besseren Chancen hat. Und die Kraft, Energie, vor allem im
übertragenen Sinne von Brainpower = Know-how/Wissen
(neudeutsch: skill-enhencement) einbringt. Eine Investition, die neben
der funktionalen Erweiterung der Möglichkeiten nicht zugleich
auch einen Wissensschub einbringt, ist keine nachhaltige! Wissen ist
das Kapital, aus dem man Zukunft macht, darüber gibt es keinen
Zweifel. Informationen sind das Zahlungsmittel, Kommunikation der
„Bankverkehr des Zukunftskapitals“. Klingt komisch,
ist aber eine nützliche Metapher, um die
Zusammenhänge richtig zu sehen.
Man muss die nächste Drupa sehen wie ein Schachspiel: man
könnte einen spektakulären Zug machen (sprich
„mit Pauken und Trompeten“ investieren). Doch
– wie hilft einem das für die Investition auf der
drupa 2012, 2016? Was muss man heute tun, damit man zur drupa 2020
richtig aufgestellt ist? Man hat sich leider abgewöhnt, so
weit nach vorne zu schauen. Für einen 60jährigen mag
das noch berechtigt sein. Aber wer jünger ist als
55, der ist immerhin nach jetzigem Plan der Bundesregierung erst in 12
Jahren oder später „rentenreif“. Und
möglicherweise bis dahin, 2020, in verantwortlicher Position
tätig. Wer heute falsch entscheidet, sägt
wortwörtlich den Ast ab, von dessen Früchten er
zehren muss, bis ihn Vater Staat alimentiert.
Sicherlich, kein Mensch kann wirklich wissen, also sicher sein, welche
Technik uns dann – beispielsweise 2020 –
begegnet. Doch es ist wie im Cockpit: Leuchtet eine Warnlampe, kann man
sich um die Ursache, einen möglichen Fehler eines wichtigen
Aggregats kümmern oder das Warnlicht ausschalten. Nachhaltig
denken, einmal wagen, sich die drupa 2020 phantasievoll auszumalen
– ist das wirklich Quatsch? Ängstliche werden
dagegen halten und sagen, wir leben heute, kaufen heute, investieren
heute. Also muss ich mich auch nur um das Heute kümmern. Und
erwarten trotzdem wie die Bachverschmutzer, dass das Wasser trotz ihrer
eigenen Unbekümmertheit rein bleibt. Will sagen, die Situation
von heute auch noch morgen Zinsen bringt. Wer und was sollte dies
garantieren?
Nachhaltigkeit heisst: den Mut zu Visionen zu haben. Zu wagen, der
Phantasie zu trauen. Die Kraft zu entwickeln, an Ideale zu glauben. Die
Weisheit zu trainieren, Sinnvolles von Spektakulärem zu
unterscheiden.
Wenn man heute für ein 10jähriges Kind die
Entscheidung trifft, auf welche weiterführende Schule es gehen
soll, so ist das eine
„Nachhaltigkeits-Entscheidung“ in dem Sinne, welche
Berufe es einst lernen könnte. 12 Jahre sind in diesem Alter
der Kinder ein Zeitraum, für den Eltern durchaus Verantwortung
tragen müssen. Wer zur drupa 2008 geht, sollte doch in der
Lage sein, 12 Jahre nach vorn zu denken?! Also
„nachhaltig“ zu entscheiden und zu handeln (wenn
auch bonmothafter Weise Vor-Denken ratsamer als Nach-Denken ist, also
„Nachhaltigkeit“ eigentlich
„Daseins-Vorsorge“ heissen müsste).
Nachhaltigkeit schließt immer ein, bereit zu sein,
Verantwortung zu tragen. Das ist die generelle ethische wie zugleich
gesellschaftspolitische Komponente. Nachhaltige
Investitionsentscheidungen sind die, die man „mit gutem
Gewissen“ trifft. Was im Idealfall hoffentlich der Funktion
„Geldverdienen“ nicht im Wege steht. Aber etwas zu
unternehmen nur des Geldes wegen, egal, welchen
„Schaden“ dies anrichtet, dast ist alles andere als
nachhaltig. Es ist asozial, gegen die Interessen der anderen gerichtet.
Es könnte einem natürlich persönlich
sch…-egal sein – aber, siehe das
wortwörtliche Beispiel vom Bach, es könnte einem auch
den Appetit verderben und bald dürsten lassen. Die globale
Entwicklung, die Öffentlichkeit in den
Industrieländern, immer mehr sich zur ihrer eigenen
Verantwortung bekennende Unternehmen und Konzerne, vor allem aber der
Druck der Verbraucher geht immer mehr in Richtung einer
„Annäherung an die Vernunft“. Wenn dies
auch noch ein extrem steinig-steiler, schwieriger Weg sein wird, vor
allem ein langer, als einer, der definitiv, unausweichlich vor uns
liegt, ist er klar zu erkennen. Es ist übrigens der einzige,
der Richtung Zukunft führt.
Die drupa 2008. Der erste Tag der Neuen Zukunft. Auch für Sie?