Plagiate. Und unser aller Schaden.
Ein Problem, eine Museum und ein Experte
Streng genommen ist es ja das höchste Glück beim Drucken: ein Plagiat – ein Druck so schön wie der andere. Eben für den besten und vor allem ersten Eindruck. Doch was für den rechtmäßigen Inhaber eines Designs, einer Marke, eine Produktes und damit für sein Geschäft und sein Handeln von großem Vorteil ist, gerät zum bedrohlichen kriminellen Akt, wenn andere exakt das nachahmen, was sich auf dem Markt schon bewährt hat. Oder beliebt ist. Oft, nachdem für den Erfolg einer Marke oder Produktes enorme Summen investiert wurden.
Marken-, Produkt-, Design-Piraterie, das ist inzwischen einer der größten globalen Kriegsgebiete; weit umfangreicher als der Drogenschmuggel. Ob organisiert von Banden oder Einzeltäter, ob banales Alltagsprodukt oder hochkomplexes technisches, medizinisches, funktionales Teil: der Grad der Gefährdung für uns alle, jeden von uns, kann beträchtlich bis hin zu tödlich sein.
Klauen für den Krieg
Denn längst geht es nicht mehr das, was in der Kunst immer schon üblich war: jemand stibizt die Idee eines anderen, oder Teile davon, und macht sie sich zu eigen. Nein, Produktpiraterie in all ihren Varianten und Vorkommen ist einerseits ein wirtschaftlicher Schaden, der zählbar und gewaltig ist. Es ist konkret die Quelle von Kriegen und Verbrechen der schlimmsten Art. Und es kann für jeden einzelnen Bürger tödlich sein. Da werden Herzkatheder ebenso gefälscht wie Medikamente in extremen Mengen. Flugzeugersatzteile ebenso wie das, was auch wir in unseren Autos haben; Bremsbeläge, Elektronikteile, Reifen. Ganze Mopeds und Wasserhähne, Kettensägen oder Elektrohaushaltsgeräte. Was passieren kann, wenn Teile daran und darin schadhaft sind und bald schon nicht mehr funktionieren, kann man sich ausmalen – oder lieber auch nicht.
Strafe: Peanuts. Gewinn: Milliarden.
Der Schutz vor solchen verbrecherischen Nachahmungen ist der Versuch, den Wind einzufangen. Noch – muss man sagen, denn in vielfacher Form gibt es zahlreiche erfolgreiche Ansätze, den Markenpiraten Paroli zu bieten. Wie fast immer bleibt die Politik und die öffentliche Hand leider viel zu weit zurück. 300 Milliarden Euro, auf diese Summe schätzt man den jährlichen Schaden durch illegale Ware und die damit verbundenen Steuereinnahmeverlusten, wären eigentlich ein Grund, wesentlich rigoroser und konsequenter vorzugehen. Bei allen wohlgemeinten Gesetzen, die gemacht wurden, es fehlt einfach an der quantitativ ausreichenden konsequenten Überwachung, Aufdeckung und Ahndung der Schwerststraftaten. Und so bleibt die Weckung des Bewusstseins, wie auch die Erfindung und Organisation von Abwehr- und Verhinderungsmaßnahmen einzelnen Personen, Institutionen, Firmen und deren oft recht raffinierten Schutzkonzepten vorbehalten.
Ein Museum voller Fälschungen
PrintRadio schaute sich im Solinger Museum Plagiarius um. Dahinter steht die Idee des Design-Professors Rido Busse und seine Aktion, jährlich einmal die zweifellos täter-entlarvende Auszeichnung des Zwerges mit der Goldenen Nase zu verleihen, die sich nicht nur sprichwörtlich Kopisten oft verdienen. Keineswegs nur nebenbei bemerkt: das meiste Geld aus Produktfälschungsbetrügereien finanziert laut EU-Bericht Bürgerkriege, deren Grausamkeit wir täglich in den Nachrichten lesen können.
Hier in Solingen, nahe des neugeschaffenen Produkt-Design-Centrums im Südpark, dem Ex-Hauptbahnhof der Klingenstadt, stehen Duplikate in verblüffender Vielfalt und optischen Identität: nichts, was nicht kopiert und damit als geistiges Eigentum geklaut wird.
Schutzkonzepte sind individuell
Mit dabei war ein Experte, der als international tätiger Berater Firmen bei der Erstellung von Sicherungskonzepten berät, sich gegen Produktfälscher zu schützen. Eine Aufgabe, die im übrigen im EU-Raum bald zur Pflicht wird. Wer Wertgegenstände im ohne Aufsicht geparkten Auto offen liegen lässt, darf sich nach Lebenserfahrung nicht wundern, wenn diese rasch geklaut sein könnten. Wer als Hersteller oder Vertreiber eines Markenproduktes keine Vorsorge trifft, dass Original und Fläschung unterschieden werden können, … siehe oben, der hat neben dem Schaden eventuell auch noch andere Kosten und Aufwendungen zu tragen, die durch einen Angriff auf sein eigentlich geschütztes und verbrieftes geistiges Eigentum entstehen. Das mag man bedauern, für pervers und unsäglich halten, aber es ist nun einmal Realität. Wie in einem Krieg. Die Opfer wollen ihn nicht. Sind aber die Leidtragenden. Und im Falle der Produktpiraterie, der Plagiate, der Fläschungen und Nachahmungen sind es nicht nur die Hersteller, sondern eben wir alle, die Verbraucher.
Mehr als nur ein Nachtrag:
Die Druckindustrie kann mit Hilfe neuerer, aber bereits im Einsatz befindlicher und insofern erprobter und durchaus bewährter Kombinationen von Materialien, Produktions- und vor allem Kommunikationsprozesse wesentlich dazu beitragen, dass die Hersteller von Originalteilen sich gegen Fälscher und Kopisten schützen. Darüber informieren PrintRadio und Beyond Print in separaten Beiträgen.
> www.plagiarius.de
geöffnet täglich ausser Montag