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Der völlig legale Krieg

Marodierende Räuberbanden überall

Schlimm ging es einst zu. Nicht nur, aber besonders auch im Dreißigjährigen Krieg: marodierende Söldnertruppen unter dem Kommando brutaler  Heerführer, von wessen Gnaden auch immer (am liebsten von eigenen), zogen durchs Land. Und raubten, plünderten, vernichteten mit Hohn und Spott Existenzen. Bar jeglicher Moral galt Ihnen nichts als heilig, schon gar nicht das Schicksal ihrer Mitmenschen.

Diese Soldateska ist wieder lebendig, die Räuberhauptmänner von einst sind auferstanden. Sie heißen heute formal Manager, nisten sich vor allem in Banken ein und übernehmen dort per Handstreich die Macht, die sich auf perfide Asozialität gründet: Egozentrik pur. Sie spielen Krieg um des ureigenen Vorteils wegen. Die Vernichtung anderer ist dabei einkalkuliert. Ethik ist und bleibt ein Fremdwort.

Marc Ospels, der langjährige Präsident der Schweizer USB, einer angeblichen Säule der angeblich lauteren Schweizer Bankenlandschaft, lässt unter seinem Kommando (vorerst) umrechnet 26 Milliarden Euro verzocken . Aus Blödheit, was denn sonst? Oder warum haben angebliche Fachleute das Desaster Immobilien-Überbewertung nicht vorderhand erkannt? –, räumt dann, alt genug, zynisch das Feld mit der wortwörtlichen Bemerkung: „Ich betrachte meinen Beitrag als erfüllt“. Während Kleinsparer im Jahre 2008 des Herrn inmitten von Zürich, der Welt- und Kultur- und Wirtschaftshauptstadt eines der angeblich seriösesten Länder der Welt, in der Ära der vernetzten Computer und des digitalen Geldhandels, persönlich in die Banken laufen und Geld in Scheinen abholen, um zu retten, was sie endgültig auch noch zu verlieren befürchten.

„Ich betrachte meinen Beitrag als erfüllt“. Steht vor vernichteten Werten und damit auch vor zerrütteten Existenzen, grinst und geht in Rente. Und alle, alle – Sie, ich, wir – stehen da und nichts geschieht. Wie nach einem Bandenüberfall. Vergewaltigt, gemordet, gebrandschatzt – und das Volk leidet jammernd vor sich hin, kraftlos, mutlos, ratlos.

Denn die Raubzüge sind ja europa-, weltweit zugange. In Deutschland wanken Landesbanken, die im Westen, im Osten, im Süden. Verzockt – will sagen: verbrecherisch, weil ohne Rücksicht auf fremde Verluste, unwiderruflich zerstört. Vertrauen und Zuversicht ermordet. Vertrauen und Privilegien missachtet und mit Füßen getreten. Und die Politik ringt nach Worten, von denen ein jedes alles nur noch schlimmer macht.

Denn das Geld, das verbrannt wurde, muss jemand bezahlen. Nämlich Sie. Sie, wenn Sie demnächst einen Kredit brauchen, weil Sie Unternehmer sind oder als ehrbarer, anständiger Bürger der Scheinheiligkeit von Banken auf den Leim gehen und glauben, seriöse Menschen seien auch kreditwürdig. Dann werden Sie, viel mehr noch als bisher, zynischer als jemals, zu hören bekommen, man müsse bei der Kreditvergabe neuerdings vorsichtig sein. Das Geld, was der selbstbetrügerische, nur aus Gier der Banken ausgeraubte Immobilienmarkt vernichtet hat, fehlt nun konkret, um die seriösen Bedürfnisse der Wirtschaft und von Privatpesonen zu bedienen. Kredite werden knapp und kritischer, weil die Bankfachleute unter-, mit- und gegeneinander ein schäbiges, unsauberes Soldatenspiel getrieben haben. Wie im richtigen Krieg: Die Bevölkerung schuftet, die Soldateska raubt, das Volk muss hungern, die Räuber schleppen die Beute davon. Beuten heißen heute Prämien, Abfindungen, Ruhegehälter.

Ausgeblutete Landstriche brauchen lange, um sich zu erholen. Die Raubzüge der Manager hinterlassen nicht nur Schäden in der Firmenkasse. Jobs  gehen oft zu tausenden dabei verloren. Steuern müssen und können nicht mehr bezahlt werden. Und eben das Investment in Solides ist unmöglich, weil der Wahnsinn leider wieder einmal gewonnen hat.

Und alles das, obwohl wir meinen, das Mittelalter und der Rückfall der Menschen auf tierische „fress oder stirb“-Mentalität sei überwunden. Und das alles nicht nur, aber auch in einem Land, das weit von sich weist, mit Krieg etwas am Gesslerhut zu haben und die Neutralität als um so schlimmer täuschende Tarnung zelebriert.

Josef Ackermann, der Peanuts-Schönling, ist auch Schweizer, „Deutsche“ Bank vielleicht nur seine Tarnweste. Einst führte er sich wie Graf Koks von der Gasanstalt auf, verbat sich strikte jegliche Einmischung von außen. Und dann, als seine Mannen auf sein Geheiß hin Geld ohne Ende verbrannt hatten, flehte er nach jämmerlicher Waschlappen-Manier um Beistand des Staates. Und wurde noch nicht einmal schamrot dabei.

Man muss an sich halten, um die Schweizer nicht zu den Fanatismus-Moslems Europas zu machen. Will sagen, zu den ungeliebten Andersgläubigen, die nur heucheln, um in Wirklichkeit zu meucheln. Weil ein Josef Blatter, FIFA-Präsident, Schweizer mit fremdfinanzierter Villa hoch oben über dem Zürichsee, ebenfalls nach nicht endenden Vermutungen und Gerüchten von der manipulativen Kraft des Großen Geldes mehr verseht als von Balldribbling und Abseitsfalle. Eine Fluglinie wie die Swiss binnen kurzen ins Desaster zu führen, dass muss auch gekonnt sein. Die UBS, Marc Ospels, waren entscheidend beteiligt daran. Dass Liechtenstein organisatorisch mit der Schweiz verbandelt ist, darf nicht vergessen werden: Kriegskoalitionen haben Tradition. Die Schweiz rennt da in ein Problem, vor dem sie sich bewahren wollte, indem sie es zu verschweigen suchte. Der Schuss geht, wie bei einer ungepflegten Kanone, nun plötzlich nach hinten loss. Räuberbanden-Schicksal.

Ein Gutes aber hat das alles doch. Früher hatte man Angst von Bankräubern, die maskiert, wild schießend, von außen eine Bank überfielen und Geldscheine raubten. Solche Amateure gelten heute als niedlich und harmlos. Denn die wahren Räuber gehen raffinierter vor. Sie kommen, gekleidet in Nadelstreifen-Zwirn, im Dienstwagen vorgefahren, werden zur Vorstandsetage im eigens reservierten Lift befördert, gelten als publikumsscheu und verlassen nach ein paar verheerenden Wirkungsjahren die Bank wesentlich reicher, als sie mit mühsamer Straßenräuberei jemals hätten erwerben können. Um an Essen zu kommen, haben marodierende Räuberbanden früher massenweise Bauernhöfe niedergebrannt. Wieso früher?

Die selbsternannten Propheten der Wirtschaft, die Gurus der Prosperität, die sich für unfehlbar und unverwundbar hielten, schmoren nun auf den Scherben- und Scheiterhaufen, die sie selbst errichtet haben. Ich fürchte, sie werden auferstehen wie Phoenix aus der Asche. Weil wir, das Volk, uns nur zu gerne zur Schlachtbank führen lassen und wir den Mut verloren haben, uns von diesem Joch des Räuberkapitalismus zu befreien (was einschließt, dass Marktwirtschaft, vernünftig organisiert, ein lohnenwertes Ziel bleibt und die beste aller Wirtschaftsformen ist).

Die Schuld der Schuldigen liegt also bei denen, die sich scheinbar nichts zu schulden haben kommen lassen. Bei uns.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,544754,00.html